Veröffentlicht am März 15, 2024

Ein voller Kleiderschrank garantiert keine guten Outfits; eine durchdachte Strategie schon.

  • Statt wahllos Teile zu kombinieren, nutzen Sie bewährte Formeln (wie die 60-30-10-Farb-Regel), um visuelle Harmonie zu erzeugen.
  • Ein kleiner, aber vielseitiger Kern von 12 Kleidungsstücken kann durch strategische Kombination mehr als 50 verschiedene Ensembles ergeben.

Empfehlung: Führen Sie einen einmaligen Lifestyle-Audit durch, um zu definieren, welche Kleidung Ihr tatsächlicher Alltag erfordert, und eliminieren Sie alles, was nicht dazu passt.

Sie stehen vor einem vollen Kleiderschrank und haben trotzdem das Gefühl, „nichts zum Anziehen“ zu haben. Dieses Paradox ist kein Zeichen für einen Mangel an Kleidung, sondern für einen Mangel an System. Viele Ratgeber empfehlen eine radikale Reduzierung zur Capsule Wardrobe oder predigen vage Farbtheorien. Doch diese Ansätze übersehen oft den entscheidenden Punkt: Ein gelungenes Outfit ist kein Zufallsprodukt aus wenigen, perfekten Teilen, sondern das Ergebnis eines bewussten Designprozesses – einer durchdachten Garderoben-Architektur.

Das Problem liegt selten in den einzelnen Kleidungsstücken, sondern in der fehlenden Verbindung zwischen ihnen. Wir kaufen schöne Einzelteile, aber keine Komponenten für ein größeres Ganzes. Wir denken in „Pullovern“ und „Hosen“, nicht in „Ensembles“. Was wäre aber, wenn der Schlüssel nicht darin liegt, *was* Sie besitzen, sondern *wie* Sie darüber nachdenken? Wenn die wahre Kunst darin besteht, eine Methode zu erlernen, mit der Sie aus dem Vorhandenen gezielt Stimmungen, Geschichten und funktionale Looks für Ihren Alltag kreieren können?

Dieser Artikel bricht mit der Idee des passiven Besitzens und führt Sie in die Welt des aktiven Kuratierens ein. Wir werden nicht nur Listen von „Must-haves“ abhaken. Stattdessen entwickeln wir gemeinsam die mentalen Modelle und strategischen Frameworks, die Stylisten nutzen, um aus jedem Kleiderschrank das Maximum herauszuholen. Sie lernen, wie Sie Ihre Woche modisch vorplanen, welche Denkfehler jedes Outfit ruinieren und wie Sie durch bewusste Kaufentscheidungen eine Garderobe aufbauen, die nicht nur funktioniert, sondern eine Geschichte erzählt: Ihre Geschichte.

Für diejenigen, die einen schnellen visuellen Überblick bevorzugen, fasst das folgende Video die Kernideen des strategischen Stylings zusammen und bietet eine kompakte Ergänzung zu den detaillierten Methoden dieses Leitfadens.

Um Ihnen eine klare Struktur für diesen strategischen Ansatz zu geben, ist dieser Leitfaden in logische Schritte unterteilt. Der folgende Sommaire gibt Ihnen einen Überblick über die Module, die Sie vom planlosen Kombinieren zum bewussten Kuratieren führen.

Das 7-Tage-Outfit-System: Wie Sie Ihren Kleiderschrank am Sonntag für eine stressfreie Woche organisieren

Der morgendliche Stress vor dem Kleiderschrank ist oft kein Kreativitäts-, sondern ein Planungsproblem. Die Lösung liegt darin, die Entscheidungsfindung vom hektischen Morgen auf den ruhigen Sonntag zu verlagern. Das 7-Tage-Outfit-System ist eine strategische Methode, die Ihre Garderobe in eine effiziente „Greif-und-los“-Station verwandelt. Anstatt jeden Tag aufs Neue zu überlegen, investieren Sie einmal pro Woche 30 Minuten, um sieben komplette Ensembles basierend auf Ihrem Kalender und der Wettervorhersage zusammenzustellen. Dies reduziert nicht nur die tägliche Entscheidungslast, sondern zwingt Sie auch, Ihre Garderobe als Ganzes zu betrachten und neue Kombinationen zu entdecken.

Der psychologische Effekt ist enorm: Sie starten jeden Tag mit dem Gefühl von Kontrolle und Vorbereitung. Die vorbereiteten Outfits hängen idealerweise separat oder in einer bestimmten Reihenfolge im Schrank, sodass der Griff am Morgen automatisch und mühelos erfolgt. Dieser proaktive Ansatz ist der erste Schritt zur Entwicklung einer echten Garderoben-Architektur.

Organisierte Kleiderstange mit sieben Outfits für die Woche

Wie auf dieser organisierten Kleiderstange zu sehen ist, schafft die visuelle Trennung der Wochen-Outfits sofortige Klarheit. Jedes Ensemble ist eine abgeschlossene Einheit, bereit für den jeweiligen Tag. Um diesen Prozess zu systematisieren, folgen Sie einer einfachen, aber wirkungsvollen 5-Schritt-Methode, die sicherstellt, dass jedes Outfit sowohl praktisch als auch stilvoll ist.

Die Formel für ein stimmiges Outfit: Das Geheimnis der Farb- und Texturharmonie

Ein visuell ansprechendes Ensemble entsteht selten durch Zufall. Es folgt ungeschriebenen Gesetzen der Ästhetik, die aus dem Design und der Kunst entlehnt sind. Die wichtigste davon ist die Ensemble-Formel, die sich auf die harmonische Verteilung von Farben und Texturen stützt. Anstatt Farben willkürlich zu mischen, können Sie eine bewährte Designregel anwenden, um ein ausgewogenes Ergebnis zu erzielen. Sie gibt eine klare Struktur vor und verhindert, dass ein Outfit überladen oder farblich unausgeglichen wirkt.

Die bekannteste Methode ist die 60-30-10-Regel. Laut der bewährten Designregel für harmonische Farbkombinationen sollte ein Outfit idealerweise aus drei Farben bestehen: 60 % einer Hauptfarbe (z. B. ein Anzug, ein Mantel), 30 % einer Nebenfarbe (z. B. ein Hemd, ein Pullover) und 10 % einer Akzentfarbe (z. B. ein Tuch, Schuhe, eine Tasche). Diese Gewichtung schafft eine klare visuelle Hierarchie und führt das Auge, anstatt es zu überfordern. Dieses Prinzip ist tief in der deutschen Designtradition verwurzelt, wie die Bauhaus-Philosophie zeigt, bei der Farbe immer auch eine Funktion hatte. Ein roter Akzent war nicht nur Dekoration, sondern ein bewusst gesetztes visuelles Signal, während neutrale Töne die funktionale Basis bildeten.

Neben Farben spielen Texturen eine ebenso wichtige Rolle. Die Kombination verschiedener Materialien verleiht einem Outfit Tiefe und Interesse, besonders bei monochromen Looks. Ein Ensemble aus glatter Seide, grobem Strick und festem Denim in derselben Farbe wirkt sofort anspruchsvoller und durchdachter als eines aus einem einzigen Material. Der bewusste Mix von Texturen ist ein fortgeschrittener Schritt, um Ihrem Stil-Narrativ Komplexität zu verleihen.

Der „Ich brauche was Neues“-Mythos: Wie Sie mit nur 12 Teilen über 50 verschiedene Ensembles stylen

Das Gefühl, ständig neue Kleidung zu benötigen, ist oft ein Trugschluss, der durch einen unstrategischen Kleiderschrank genährt wird. Eine Greenpeace-Studie zeigt, dass im Durchschnitt jede erwachsene Person in Deutschland 95 Kleidungsstücke besitzt, aber nur einen Bruchteil davon regelmäßig trägt. Der Schlüssel liegt nicht in der Quantität, sondern in der Kombinierbarkeit der Teile. Eine kleine, kuratierte Auswahl an vielseitigen Basics und einigen Akzentstücken birgt ein exponentiell höheres Potenzial als ein Schrank voller unverbundener „Einzelkämpfer“.

Dies lässt sich mathematisch beweisen. Die Idee einer Kombinations-Matrix zeigt, wie wenige Teile eine erstaunliche Vielfalt erzeugen können. Stellen Sie sich eine Garderobe aus 4 Unterteilen (Hosen, Röcke) und 3 Oberteilen vor. Dies ergibt bereits 4 x 3 = 12 grundlegende Outfits. Fügt man nun 2 „Layering“-Teile (Blazer, Strickjacke) und 3 Paar Schuhe hinzu, explodieren die Möglichkeiten. Diese Denkweise verschiebt den Fokus von „Was ziehe ich an?“ zu „Wie kann ich dieses Teil heute anders kombinieren?“.

Die folgende Tabelle verdeutlicht den dramatischen Unterschied in der Effizienz zwischen einer kuratierten „Capsule Wardrobe“ und einem durchschnittlichen, unstrategischen Kleiderschrank. Sie zeigt nicht nur die Anzahl der möglichen Kombinationen, sondern auch den „Cost-per-Wear“, also die Kosten pro Tragen, die bei einer kleineren, aber besser genutzten Garderobe drastisch sinken.

Kombinations-Mathematik: 12 Teile vs. traditioneller Kleiderschrank
Anzahl Teile Mögliche Outfits Cost-per-Wear
12 Capsule-Teile 50-216 Kombinationen 0,50-2€
95 durchschnittliche Teile 20-30 tatsächlich genutzt 5-15€

Der Ensemble-Killer: 3 Denkfehler beim Kombinieren, die jedes Outfit ruinieren

Selbst die hochwertigsten Kleidungsstücke können in einem schlecht zusammengestellten Ensemble ihre Wirkung verlieren. Oft sind es subtile Denkfehler, die eine ansonsten gute Basis ruinieren. Diese „Ensemble-Killer“ zu erkennen und zu vermeiden, ist ein entscheidender Schritt zur Meisterschaft im Styling. Hier sind die drei häufigsten Fehler:

  1. Ignorieren des persönlichen Kontrastlevels: Viele Menschen kombinieren Farben nach starren Regeln, ohne ihre eigene Erscheinung (Haarfarbe, Hautton, Augenfarbe) zu berücksichtigen. Jemand mit hohem natürlichen Kontrast, wie dunklen Haaren und heller Haut, kann starke Farbkontraste im Outfit (z.B. Schwarz-Weiß) mühelos tragen. Bei jemandem mit geringem Kontrast (z.B. blonde Haare, helle Haut) wirken dieselben harten Kontraste oft überwältigend. Hier sind harmonischere, tonale Kombinationen vorteilhafter.
  2. Stil-Schizophrenie: Dies geschieht, wenn Teile aus völlig unterschiedlichen Stilwelten ohne ein verbindendes Element kombiniert werden. Ein eleganter Seidenrock mit klobigen Wanderstiefeln und einer sportlichen Funktionsjacke kann zwar als modisches Statement funktionieren, erfordert aber ein hohes Maß an Absicht. Meistens wirkt es jedoch unentschlossen und zufällig. Die Lösung ist ein „Brückenelement“ – ein Accessoire oder eine Farbe, die beide Welten verbindet.
  3. Textur-Konflikt: Ein oft übersehener Fehler ist das Aufeinanderprallen unpassender Materialien. Glänzendes Satin mit grobem Leinen oder zarte Spitze mit technischem Neopren kann zu visueller Unruhe führen. Harmonie entsteht oft durch ähnliche Materialfamilien (z.B. Naturfasern wie Wolle, Baumwolle, Leinen) oder durch einen bewusst gesetzten, einzelnen Textur-Bruch als Akzent.

Eine Stilberaterin bringt den ersten Punkt auf den Punkt, indem sie die Verbindung zwischen persönlicher Erscheinung und Outfit-Wahl betont:

Wer von Natur aus mehr Kontraste im äußeren Erscheinungsbild hat (z.B. dunkle Haare und helle Haut), kann auch stärkere Kontraste im Outfit gut tragen.

– Stilberaterin, Finde deinen Stil – Farbberatung

Makroaufnahme verschiedener Texturen und Materialien, die einen visuellen Konflikt erzeugen

Diese Aufnahme zeigt eindrücklich den „Textur-Konflikt“: Materialien, die in ihrer Haptik und Anmutung so unterschiedlich sind, dass sie um Aufmerksamkeit konkurrieren, anstatt sich gegenseitig zu ergänzen.

Intuitives Styling vs. strategische Planung: Welcher Outfit-Ansatz passt wirklich zu Ihnen?

In der Welt des Stils gibt es zwei grundlegende Archetypen: den intuitiven Künstler und den preußischen Strategen. Der Künstler verlässt sich auf sein Bauchgefühl, seine aktuelle Stimmung und spontane Inspiration. Er kreiert Outfits im Moment und sieht seinen Kleiderschrank als eine Palette von Möglichkeiten. Der Stratege hingegen plant voraus. Er verlässt sich auf bewährte Formeln, plant Outfits für die Woche und sieht seine Garderobe als ein effizientes System. Keiner der beiden Ansätze ist per se besser, aber sich selbst in einem der Typen wiederzuerkennen, ist der Schlüssel zu einem stressfreien Umgang mit der eigenen Kleidung.

Die meisten Menschen sind jedoch keine reinen Archetypen, sondern eine Mischung aus beidem. Der wahre Fortschritt liegt oft darin, die Stärken beider Welten zu einem hybriden Modell zu vereinen. Dies bedeutet, eine strategische Basis zu schaffen (z. B. durch das 7-Tage-System oder definierte Outfit-Formeln), die aber genügend Raum für tägliche, intuitive Anpassungen lässt. So kann die Grundkombination aus Hose und Blazer geplant sein, während die Wahl des T-Shirts, des Schmucks oder der Schuhe der morgendlichen Stimmung überlassen wird.

Dieser hybride Ansatz kombiniert die Effizienz der Planung mit der Freude an der spontanen Kreativität. Er stellt sicher, dass Sie immer gut und passend gekleidet sind, ohne die Persönlichkeit und den Spaß am Styling zu opfern.

Fallstudie: Der hybride Ansatz in der Praxis

Die Stylistin Anja Astanin von Outfittery entwickelte für ihre Kunden ein System, das genau diese Brücke schlägt. Ihre Methode: Grundlegende Outfit-Formeln (der „preußische Stratege“) werden am Wochenende festgelegt, indem zum Beispiel Hosen und Blazer als feste Paare definiert werden. Die finalen Details wie Accessoires, Schuhe und Tops werden jedoch spontan am Morgen nach Lust und Laune ausgewählt (der „kreative Künstler“). Dieses System reduzierte laut Astanin die morgendliche Entscheidungszeit ihrer Kunden um durchschnittlich 15 Minuten und steigerte gleichzeitig deren Zufriedenheit mit dem Endergebnis.

Der Lifestyle-Audit: Finden Sie heraus, welche Basics Sie wirklich brauchen (und welche nicht)

Die effektivste Garderobe ist nicht die, die den aktuellen Trends folgt, sondern die, die perfekt zu Ihrem tatsächlichen Leben passt. Viele Kleiderschränke sind gefüllt mit Kleidung für ein Fantasie-Leben – voller Abendveranstaltungen, exotischer Urlaube und glamouröser Events. Die Realität besteht jedoch meist aus Büro, Homeoffice, Kinderbetreuung und Freizeitaktivitäten. Ein Lifestyle-Audit ist eine radikal ehrliche Bestandsaufnahme, die Ihre Garderobe mit Ihrem Alltag synchronisiert. Es ist der fundamentale Schritt, um herauszufinden, welche Art von Kleidung Sie wirklich in welcher Menge benötigen.

Die Kreisdiagramm-Methode ist ein einfaches, aber wirkungsvolles Werkzeug für diesen Audit. Sie visualisiert, wofür Sie Ihre Zeit wirklich aufwenden, und leitet daraus direkt den Bedarf an bestimmter Kleidung ab. Wenn Sie 80 % Ihrer Zeit im Büro oder Homeoffice verbringen, sollten auch rund 80 % Ihrer Garderobe für diesen Zweck geeignet sein. Besitzen Sie stattdessen zehn Abendkleider, aber nur zwei gut sitzende Hosen, liegt eine deutliche Diskrepanz vor. Dieser Audit ist die Basis für eine funktionale Garderoben-Architektur und der erste Schritt, um Ihren wahren persönlichen Stil zu definieren – einen Stil, der auf Realität, nicht auf Aspiration basiert.

Ihr Plan zur Durchführung des Lifestyle-Audits

  1. Aktivitäten dokumentieren: Notieren Sie eine typische Woche lang, wie viele Stunden Sie ungefähr im Büro, im Homeoffice, in der Freizeit (Sport, Freunde treffen), bei formellen Anlässen oder zu Hause verbringen.
  2. Kreisdiagramm erstellen: Erstellen Sie ein einfaches Kreisdiagramm (auf Papier oder digital), das die prozentuale Verteilung Ihrer Zeit auf diese verschiedenen Lebensbereiche darstellt.
  3. Basics zuordnen: Ordnen Sie jedem Lebensbereich, der mehr als 10 % Ihrer Zeit einnimmt, 3 bis 5 zentrale Basic-Teile zu, die dafür essenziell sind (z. B. „Büro“: Stoffhose, Blazer, Bluse).
  4. Überschneidungen identifizieren: Markieren Sie Kleidungsstücke, die mehrere Bereiche abdecken können. Ein hochwertiger Kaschmirpullover kann beispielsweise im Homeoffice, in der Freizeit und sogar bei einem legeren Abendessen getragen werden.
  5. Irrelevantes eliminieren: Identifizieren und hinterfragen Sie alle Kleidungsstücke, die für Aktivitäten gedacht sind, die weniger als 5 % Ihrer Zeit ausmachen. Diese sind Hauptkandidaten zum Ausmisten.

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein funktionaler Kleiderschrank basiert nicht auf der Menge, sondern auf der strategischen Kombinierbarkeit der Teile.
  • Die Anwendung von Design-Prinzipien wie der 60-30-10-Farb-Regel und der bewusste Mix von Texturen schaffen visuelle Harmonie.
  • Ein Lifestyle-Audit ist entscheidend, um die Garderobe an den realen Alltag anzupassen und Fehlkäufe zu vermeiden.

Die 5-Fragen-Checkliste, die Sie vor jedem Fehlkauf bewahrt

Jedes Teil in Ihrem Kleiderschrank, das Sie nicht tragen, war einmal eine Kaufentscheidung. Fehlkäufe sind nicht nur eine Geldverschwendung, sondern auch eine ökologische Belastung. Laut aktuellen Erhebungen zur Nachhaltigkeit wirft jeder Deutsche im Schnitt 4,7 Kilogramm Kleidung pro Jahr weg – ein Großteil davon Fehlkäufe oder Fast-Fashion-Teile. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, benötigen Sie ein mentales Entscheidungs-Framework – einen Filter, den Sie vor jedem potenziellen Kauf anwenden.

Diese 5-Fragen-Checkliste agiert als Ihr persönlicher Qualitätskontrolleur in der Umkleidekabine. Sie zwingt Sie, über den spontanen „Haben-wollen“-Impuls hinauszudenken und das Kleidungsstück im Kontext Ihrer bestehenden Garderobe, Ihres Lebensstils und Ihrer Werte zu bewerten. Beantworten Sie nicht alle fünf Fragen mit einem klaren „Ja“, bleibt das Teil im Laden. Dieser Prozess mag anfangs langsam erscheinen, ist aber der wirksamste Schutz vor einem überfüllten Kleiderschrank voller ungetragener „Leichen“.

Hier ist die erweiterte Checkliste, die Sie vor dem nächsten Kauf im Kopf durchgehen sollten, um sicherzustellen, dass jedes neue Stück eine Bereicherung und keine Belastung ist:

  1. Passt es zu meinem definierten Stil-Narrativ? Dient dieses Teil der Geschichte, die ich mit meiner Kleidung erzählen möchte, oder ist es ein stilistischer Fremdkörper?
  2. Kann ich es sofort mit mindestens drei vorhandenen Teilen kombinieren? Visualisieren Sie konkrete Outfits mit Hosen, Röcken, Jacken und Schuhen, die Sie bereits besitzen. Wenn Ihnen nichts einfällt, ist es nicht vielseitig genug.
  3. Entspricht die Qualität meinen Werten und der erwarteten Lebensdauer? Fühlt sich das Material hochwertig an? Ist die Verarbeitung sauber? Wird es nach drei Wäschen die Form verlieren?
  4. Besteht es den deutschen Praxistest? Ist das Material für das hiesige Wetter geeignet? Kann ich damit Fahrrad fahren? Übersteht es einen unerwarteten Regenschauer?
  5. Werde ich es mindestens 30 Mal tragen? Die #30Wears-Challenge ist ein guter Maßstab. Teilen Sie den Preis durch 30, um den wahren „Cost-per-Wear“ zu ermitteln. Liegt dieser unter einem für Sie akzeptablen Wert (z. B. 2 €), ist es eine überlegte Investition.

Die Kunst des bewussten Kaufens: Wie jede Entscheidung Ihren Stil und die Welt verbessert

Die Entwicklung einer kuratierten Garderobe gipfelt in der Kunst des bewussten Kaufens. Es ist der Punkt, an dem Strategie, Stil und Werte zusammenfließen. Nachdem Sie Ihre Garderobe auditiert, Denkfehler eliminiert und ein System für sich gefunden haben, wird jede Kaufentscheidung zu einem gezielten Akt der Verfeinerung. Sie kaufen nicht mehr, um Lücken zu füllen, sondern um Ihre Garderoben-Architektur gezielt zu erweitern. Die legendäre Designerin Vivienne Westwood hat diese Philosophie in einem einfachen Satz zusammengefasst:

Buy less, choose well, make it last.

– Vivienne Westwood, zitiert im LANIUS Blog

Dieses Prinzip ist heute relevanter denn je. Es ist die Antithese zur Fast Fashion und die Grundlage der Slow-Fashion-Bewegung. Die Idee einer reduzierten, aber hochfunktionalen Garderobe ist dabei nicht neu. Bereits in den 1970er Jahren prägte die Londoner Boutique-Besitzerin Susie Faux den Begriff „Capsule Wardrobe“, als sie ihre Garderobe auf wenige, aber hochwertige und vielseitige Teile reduzierte. Das Konzept wurde in den 1980ern durch die US-Designerin Donna Karan mit ihrer „7 Easy Pieces“-Kollektion weltberühmt. Heute, über 40 Jahre später, erlebt dieser Ansatz eine Renaissance als bewusste Entscheidung gegen Überkonsum.

Bewusstes Kaufen bedeutet, die volle Verantwortung für das zu übernehmen, was in unseren Schrank gelangt. Es bedeutet, Qualität über Quantität zu stellen, die Lebensdauer eines Kleidungsstücks zu bedenken und sicherzustellen, dass jeder Kauf eine durchdachte Ergänzung zu dem ist, was wir bereits lieben und tragen. Es ist die ultimative Form des Respekts – gegenüber uns selbst, unserem Geld und den Ressourcen unseres Planeten. Ein kuratiertes Outfit ist somit nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch das Ergebnis einer ethischen und intelligenten Haltung.

Die Transformation endet nicht im Kleiderschrank; sie beginnt dort. Um diesen Ansatz wirklich zu meistern, ist es hilfreich, sich die Philosophie des bewussten Konsums immer wieder vor Augen zu führen.

Beginnen Sie noch heute damit, diese strategischen Prinzipien anzuwenden. Der erste Schritt ist nicht, etwas Neues zu kaufen, sondern das, was Sie bereits besitzen, mit neuen Augen zu sehen und durch einen bewussten Audit zu bewerten.

Fragen und Antworten rund um das Thema Styling-Ansatz

Kann ich meinen Stil-Archetyp ändern?

Ja, Stil-Archetypen sind flexibel und können sich mit Lebensumständen, wie einem neuen Job oder einer veränderten Lebensphase, entwickeln. Wichtig ist, den aktuellen Typ zu erkennen, seine Stärken zu nutzen und die Garderobe entsprechend anzupassen, anstatt gegen die eigene Natur zu arbeiten.

Wie trainiere ich meine Style-Intuition?

Eine effektive Methode ist das „Ein-Teil-Experiment“: Nehmen Sie ein neues oder vernachlässigtes Kleidungsstück und zwingen Sie sich, es eine Woche lang jeden Tag anders zu kombinieren. Dies schult den Blick für Variationsmöglichkeiten und stärkt das kreative Muskelgedächtnis für Kombinationen.

Was tun bei Entscheidungsmüdigkeit am Morgen?

Studien zur „Decision Fatigue“ (Entscheidungsmüdigkeit) zeigen, dass die Reduzierung von Wahlmöglichkeiten am Morgen Energie für wichtigere Entscheidungen am Tag spart. Ein reduzierter Kleiderschrank und geplante Outfits sind die wirksamsten Mittel. Zusätzlich hilft ein Outfit-Tagebuch (z. B. mit Handyfotos) mit bewährten Kombinationen, auf die man an uninspirierten Tagen zurückgreifen kann.

Geschrieben von Sophie Nagel, Sophie Nagel ist Beraterin für nachhaltigen Konsum und eine bekannte Stimme in der deutschen Minimalismus-Bewegung seit fast einem Jahrzehnt. Sie spezialisiert sich auf den Aufbau von Capsule Wardrobes und die Kunst der bewussten Auswahl.